Mach mal Pause

Herbert RehbeinAktuelle und oft kurzlebige musikalische Moden konnten Bert Kaempfert nie etwas anhaben. Als müsse er seine eigene Wandlungsfähigkeit noch beweisen, spielte er zu Beginn der 70er Jahre seine Version des Disco-Klassikers Theme From Shaft ein. Die Folge war ein Anruf des Komponisten und Original-Interpreten des Top-Hits, Isaac Hayes: „Eine phantastische Fassung, sie gefällt mir besser als meine eigene!” Mit der ihm eigenen Bescheidenheit registrierte Kaempfert dieses Lob eines arrivierten Kollegen. Dass er selbst mühelos auf diesen angesagten Stil einschwenken konnte, belegen zwei exzellente Eigenkompositionen, die er im Sommer 1978 mit seinem langjährigen Freund und Partner Herbert Rehbein schuf, Keep On Dancing und Frisco Disco.

Mach mal PauseKonzerte geben und komponieren. Plattenaufnahmen und Produktionen. Einmal richtig auf Betriebstemperatur gekommen, war Bert Kaempfert kaum zu bremsen. Wer vermutet hatte, nach den furiosen 60er Jahren würde eine gewisse Beruhigung eintreten, lag falsch. Doch der Vielbeschäftigte nahm sich auch seine dringend erforderlichen Auszeiten: abschalten, pausieren, den Akku aufladen. Neben mehrwöchigen Sommeraufenthalten im Ferienhaus auf Mallorca flog Kaempfert, der inzwischen in der Schweiz lebte und arbeitete, ein- oder zweimal im Jahr nach Florida. Sein dortiges Refugium waren die Everglades. Er wohnte bei Bekannten, die auf Hausbooten lebten, ging mit ihnen zum Fischen. Hier fühlte sich der Naturverbundene wohl – der Titel In The Everglades ist seinen amerikanischen Freunden gewidmet.

Live

Live in LondonBert Kaempfert auf Tonträgern, das war längst eine Bank, selbstverständlich. Doch immer häufiger hofften und forderten Fans, den singulären Sound des Hanseaten auch live genießen zu können. Zu einem ultimativen Karrierehöhepunkt gerieten 1974 einige Konzerte in England. Die Briten, von Beginn an ausgewiesene Kaempfert-Enthusiasten, kamen in den Genuss von zwei phänomenalen Auftritten des Orchesters in der ehrwürdigen Londoner Royal Albert Hall.

Die Kunde von der frenetischen Publikumsreaktion in London schwappte natürlich umgehend über den Kanal zurück in die Heimat. Kaempfert selbst war ebenso begeistert und übernahm zunächst die musikalische Leitung für zwei große Fernseh-Shows mit Freddy Quinn. Und es kam noch besser: Der Hamburger Konzertveranstalter Kurt Collien realisierte eine spektakuläre Konzertreise mit diesem Programm durch Deutschland – keine leichte Aufgabe, musste er doch Termine für die nahezu 50 europäischen Spitzenmusiker koordinieren, die zum Orchester gehörten.

Sylvia VrethammarZu den vielen Höhepunkten der Live-Auftritte zählte ein spezieller Block mit Swing, einer Vorliebe Kaempferts. So gefiel ihm unter anderem die jazzige Count-Basie-Version von Strangers In The Night am besten. Seine Faible für diesen Sound unterstrich die LP „Swing”, eingespielt im Oktober 1977 – mit ihr erfüllte sich Kaempfert einen Jugendtraum, sie war die musikalische Verbeugung eines ganz Großen vor dem Schaffen von Legenden wie Woody Herman, Tommy Dorsey, Benny Goodman, Glenn Miller und anderen; Titel wie At The Woodchopper’s Ball, In The Mood und Lullaby Of Birdland waren Erste unter Gleichen in einem fabelhaften Songangebot.

Endlich hatte Bert Kaempferts Musik auch in Deutschland den Stellenwert, der ihr und ihm längst zustand. Das Fernsehen reagierte und präsentierte 1979 „Bert Kaempfert In Concert”– zum fabelhaften Orchester war die schwedische Top-Sängerin Sylvia Vrethammar gestoßen. Eine neuerliche Konzertreise quer durch die Republik mit Abstechern nach Luxemburg und Zürich war die logische Konsequenz. Für Bert Kaempfert auch eine Form von Ablenkung, hatte ihn doch der plötzlich Tod seines Freundes Herbert Rehbein am 28. Juli 1979 schwer getroffen.