Freddy, Elvis & ein Wunderland
Hamburg, 1951. Tochter Doris wurde geboren, und der Name Berthold Kämpfert war inzwischen ein fester (Qualitäts-)Begriff in und um Hamburg. Logische Folge: Die in Hamburg ansässige Polydor, längst auf das musikalische Allroundtalent aufmerksam geworden, sicherte sich seine Dienste.
Es entstanden Melodien wie Catalania, Ducky, Las Vegas und Explorer (Louisa), die er mit kleiner Orchesterbesetzung umsetzte. Als Bandleader bekam er zeitweilig den Namen Bob Parker, denn Pseudonyme waren zu der Zeit „in”. Als Produzent betreute er viele damalige Polydor-Stars wie zum Beispiel Mona Baptiste, Margot Eskens und Rudi Schuricke. In seiner Funktion als Talentsucher förderte er die Neuentdeckung Evelyn Asal von der Hessischen Staatsoper: Mit der Altistin – fürs Schlagerfach in Cindy Ellis „umgetauft” – nahm er 12 Titel auf.
In der „Washington Bar” in Hamburgs Amüsierviertel St. Pauli hatte inzwischen ein Sänger erste musikalische Spuren hinterlassen, der zu den ganz Großen des deutschen Schlagers avancieren würde: Freddy Quinn. Für ihn arrangierte und produzierte Bert Kaempfert 1959 Die Gitarre und das Meer, einen der ersten Riesen-Hits der hiesigen Unterhaltungsgeschichte. Parallel dazu drehte sich der schon 1958 von Kaempfert bearbeitete Filmsong Mitternachts-Blues (Trompete: Billy Mo) auf vielen Plattentellern – 22 Wochen stand die gefühlvolle Nummer in der deutschen Hitparade, kam dort bis auf Rang 6; ein Stück, das außerdem zum gefragten Repertoire des „Armed Forces Radio Network” in Europa gehörte, dementsprechend oft gespielt und darum auch außerhalb Deutschlands gut verkauft wurde.
Der Freddy-Quinn-Erfolg blieb kein Einzelfall, denn schon wenig später folgte Morgen – die gekonnte Umsetzung und Präsentation unter Kaempferts Anleitung bedeuteten für den ausgezeichneten kroatischen Sänger Ivo Robic die erste Goldene Schallplatte. Der Titel gehört bis heute zu den attraktivsten und gelungensten der gesamten deutschen Schlager-Historie.
Keine Frage: Bert Kaempferts Können hatte längst grenzüberschreitendes Format. Zu einer „Kooperation” der ebenso besonderen wie wegweisenden Art kam es 1960. Als das US-Teenager-Idol Elvis Presley in Deutschland seinen Wehrdienst ableisten musste, sollte dies seine Karriere tunlichst nicht unterbrechen. Für einen neuen Film des Rock’n’Rollers wurden darum passende Musiktitel gesucht. Bert Kaempfert hatte einmal mehr das richtige Gefühl: Er setzte auf die Volksweise Muß i denn zum Städtele hinaus und bearbeitete sie. Unter dem Titel Wooden Heart wurde diese Produktion ein Welterfolg für den „King”; zusätzlich sang dessen Landsmann Joe Dowell die Nummer auf Platz 1 der Billboard-Charts. Die Fühler in Richtung Amerika waren ausgestreckt, der Name Bert Kaempfert würde schon sehr bald transatlantisch etabliert sein.
Und das, obwohl er seine bis dahin größte Trumpfkarte noch gar nicht gespielt hatte. Wunderland bei Nacht war entstanden, lag fertig arrangiert und produziert in der Schublade. Doch wie so oft galt der Prophet im eigenen Land nur wenig: Kaempfert musste feststellen, dass in Deutschland nur bedingt Interesse an dieser faszinierend schönen Melodie bestand. Feststellen: ja – akzeptieren: nein. Bert und seine Frau Hanne waren sich einig: „Jetzt ist es an der Zeit, auf nach Amerika.” Die Produktion nahmen sie mit.